Ich bin gelassener geworden - Paul Freier ber Peter 11FREUNDE

November 2024 · 5 minute read

Paul Freier, können Sie einen Tag ohne Fuß­ball leben?
Natür­lich. Wieso fragen Sie?
 
Ihre Frau hat mal über Sie gesagt: Für meinen Paul gibt es nichts als Fuß­ball. Mor­gens, mit­tags, abends, und wenn er nicht spielt, stu­diert er sämt­liche Sport-Zei­tungen oder guckt Fuß­ball im Fern­sehen.“
Das muss schon eine Weile her sein. (lacht) Als junger Spieler blickt man ja viel auf­ge­regter auf das Fuß­ball-Geschäft.
 
Und des­wegen wollten Sie sich aus­rei­chend infor­mieren?
Ich fand das ein­fach wahn­sinnig span­nend und ein stück­weit unglaub­lich. Als Elf­jäh­riger war ich aus Polen nach Deutsch­land gekommen, damals ver­stand ich kein Wort. Durch den Fuß­ball habe ich Anschluss gefunden. Und wie alle meine Freunde träumte ich von der großen Bun­des­li­ga­kar­riere. Als es schließ­lich klappte, habe ich alles auf­ge­sogen. Das erste Mal mein Name in der Zei­tung – das war das Größte! Heute sehe ich das alles ein biss­chen gelas­sener. Natür­lich spielt Fuß­ball immer noch eine große Rolle, auch weil wir eine fuß­ball­be­geis­terte Familie sind. Doch ich muss nicht mehr jeden Montag gucken, wer was über mich geschrieben hat.
 
Sie sind jetzt 34 Jahre alt. Können Sie erst auf­hören, wenn der VfL wieder Bun­des­liga spielt?
Nein, so weit denke ich nicht. Wir wollen jetzt erst einmal den Klas­sen­er­halt schaffen. Danach werde ich mich mit den Ver­ant­wort­li­chen zusam­men­setzen und über­legen, was das Beste für mich und den Verein ist.
 
Der VfL Bochum ist nun seit vier Jahren nicht in der Bun­des­liga gewesen. Das hat es zuletzt in den sech­ziger Jahren gegeben. Gehört er heute nicht mehr in die Bun­des­liga?
Schwie­rige Frage.
 
Anders gefragt: Ist er ein klas­si­scher Zweit­li­ga­verein geworden?
Wir wären ja 2011 bei­nahe direkt wieder auf­ge­stiegen. Damals haben wir unter Fried­helm Funkel 65 Punkte geholt, sind aber in der Rele­ga­tion gegen Borussia Mön­chen­glad­bach tra­gisch geschei­tert. Danach wurde der Auf­stieg immer schwie­riger.
 
Weil man sich dem Spiel­stil der Zweiten Liga immer mehr anpasst?
Weil man auf­grund der finan­zi­ellen Situa­tion nicht mehr die besten Karten auf dem Trans­fer­markt hat. Das ist die harte Rea­lität. Aller­dings ist das natür­lich auch eine Chance, denn so kann der Verein ver­mehrt auf die eigene Jugend setzen und mit einer hung­rigen und homo­genen Mann­schaft den Auf­stieg schaffen. Bestes Bei­spiel ist Ein­tracht Braun­schweig im ver­gan­genen Jahr.
 
Klubs wie Hof­fen­heim oder Wolfs­burg haben den VfL Bochum längst über­holt. Nun werden RB Leipzig und 1. FC Hei­den­heim in die Zweite Liga auf­steigen. Bereitet Ihnen das Sorge?
Zunächst mal ist es wichtig, was wir machen. Da müssen wir nicht auf andere Klubs gucken, zumal RB Leipzig oder Hei­den­heim noch gar nicht ins unserer Liga spielen.
 
Sie stört es dem­nach nicht, dass in Zukunft immer weniger soge­nannte Tra­di­ti­ons­ver­eine in der Bun­des­liga spielen?
Natür­lich wäre das schade. Gerade hier im Pott sieht man, wie wichtig diese Ver­eine für die Men­schen sind. Und auch auf die Gefahr hin, dass es wie ein altes Kli­schee klingt: Die Leute hier hono­rieren ehr­liche Arbeit. Ich mag dieses Umfeld. Mit­ar­beiter, die sich voll und ganz mit dem Klub iden­ti­fi­zieren. Fans, die ihr letztes Hemd geben, um sich die Aus­wärts­fahrt zu finan­zieren. Die Leute kommen – und sie kommen immer wieder. Egal, wie es um den Verein steht. Bei meiner Rück­kehr fühlte es sich auch so an, als wäre ich nie weg gewesen. Ich glaube, so etwas hast du nicht unbe­dingt bei jedem anderen Klub.
 
Peter Neururer ist auch einer, der wie­der­ge­kommen ist. Wie war seine Rück­kehr für Sie?
Es hat sich ein Kreis geschlossen. Er war einer meiner ersten Trainer beim VfL, hat mir vollstes Ver­trauen gegeben und mich auf das Pro­fi­ge­schäft vor­be­reitet. Zwei Jahre später sind wir phä­no­menal in den Uefa-Cup ein­ge­zogen – auch wegen Herrn Neururer.
 
Herr Neururer? Er hat Ihnen bist heute nicht das Du“ ange­boten?
Nein, wo denken Sie hin? (lacht) Er heißt für alle Spieler nach wie vor Herr Trainer oder Herr Neururer.
Vor zwölf Jahren hat Herr Neururer mal über Sie gesagt: Nimmt man Paul Freiers fuß­bal­le­ri­sche Klasse und seinen Cha­rakter zusammen, dann gibt es in Deutsch­land kein grö­ßeres Talent.“ Wie zufrieden sind Sie mit dem, was Sie aus Ihrem Talent gemacht haben?
Ich kann zufrieden sein. Ich habe in der Europa League und in der Cham­pions League gespielt. Außerdem habe ich ein paar Län­der­spiele gemacht. Doch klar: Mit etwas Glück hätte ich noch mehr aus dem Talent machen können.
 
Sie meinen: mit den rich­tigen Wech­seln zur rich­tigen Zeit?
In Lever­kusen hatte ich eine schwie­rige Zeit. Ich stand oft nicht in der ersten Elf, habe mich aller­dings auch häufig zu unglück­li­chen Zeit­punkten ver­letzt. Trotzdem habe ich auch groß­ar­tige Erin­ne­rungen. Ich war zum Bei­spiel dabei, als wir Real Madrid oder den AS Rom geschlagen haben.
 
Sie sind einer der letzten aktiven Spieler, die die Völler-Ära in der Natio­nal­mann­schaft mit­er­lebt haben. Erin­ne­rungen an diese Zeit wirken manchmal wie Erin­ne­rungen ans Schwarz-Weiß-Fern­sehen.
Stimmt, die Ära erscheint unend­lich weit weg. Das hängt natür­lich damit zusammen, dass sich in den ver­gan­genen zwölf Jahren im deut­schen Fuß­ball so unend­lich viel ver­än­dert hat. Damals war es zum Bei­spiel für junge Spieler viel schwie­riger in die erste Elf zu kommen, denn es gab viel mehr Platz­hir­sche. Heute kann man schon als 19-Jäh­riger seine Chance bekommen und mit 21 ein gestan­dener Natio­nal­spieler sein.
 
Was hat sich außerdem in den ver­gan­genen zwölf Jahren ver­än­dert?
Oft­mals wird ja dar­über gespro­chen, dass in der Ära von Rudi Völler weniger Wert auf Taktik gelegt wurde, und heute alles bis ins letzte Detail ana­ly­siert wird. Natür­lich wird heute viel mehr mit Com­pu­tern und Experten gear­beitet. Doch mir schwingt da zu oft eine zu nega­tive Sicht auf die Völler-Zeit mit. Immerhin ist Deutsch­land damals Vize-Welt­meister geworden. So schlecht kann die Mann­schaft also nicht gewesen sein.
 
Sie haben zwar 19 Län­der­spiele gemacht, doch die EM 2004 und 2006 ver­passt. Wie groß war damals die Ent­täu­schung?
Damals war ich natür­lich frus­triert. 2004 ver­letzte ich mich kurz vor dem EM-Tur­nier, danach kamen Jürgen Klins­mann und Jogi Löw, und die setzten vor der WM 2006 auf andere Spieler. Zum Bei­spiel auf David Odonkor. Was soll ich sagen? Sie haben alles richtig gemacht.
 
Sie haben also nie geträumt, wie Sie die rechte Seite gegen Polen ent­lang­sprinten und für Oliver Neu­ville auf­legen…
Und danach noch drei Tore mache? (lacht) Als kleiner Junge träumt jeder von so etwas. Als erwach­sener Mann? Ach, nein.

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